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AutorenbildRoger Spiess

Liebessexbeziehungskrisen

Ein Paar, das seit acht Jahren zusammen ist, sitzt in einer Sitzung vor mir.

Auf meine Frage, worum es geht, schaut sie zu ihm, er schaut zu ihr zurück, sie möchte ihm den Vortritt lassen, den er nicht nimmt und somit ihr die Führung überlässt. Interessant. Also beginnt sie klar und deutlich:




«Unsere Beziehung ist am Ende. Wir haben so viele Meinungsverschiedenheiten, Streitereien, er hat sich völlig zurückgezogen, ich fühle mich jetzt schon verlassen, und einsam und … und.. ich frage mich, was da eigentlich noch ist. Es tut mir weh, und ich weiss nicht wie lange ich das noch aushalten will oder kann.. und… und… wir haben schon seit langer Zeit keinen Sex mehr.»

«Hm.. ok..» ich wende mich ihrem Begleiter zu, «und wo stehst du in dieser Geschichte?»

Er schaut zu ihr, fast hilfesuchend, unsicher, wendet sich dann wieder zu mir, nachdem sie ihm keine Hilfestellung gibt, und sagt: «Ja, wir haben uns irgendwie auseinander gelebt.»

Sie schaut mich an, mit einem Ausdruck der sagt: ‹sehen Sie? Ich teile mich mit, und von ihm kommt nur ein kurzer Satz zum Ganzen.›

«Hm...» ich fasse zusammen: « ihr habt euch auseinandergelebt, streitet fast nur noch, du fühlst dich verlassen, es tut weh und ihr habt schon lange keinen Sex mehr.» Sie nickt, er schaut vor sich auf den Boden.

«Wie lange habt ihr keinen Sex mehr?»

Sie: « Zwei Jahre mindestens.» Er mit Blick zu ihr: «Wir hatten doch letzte Weihnachten einmal noch Sex...»

Sie atmet hörbar aus, blickt zu mir, hilfesuchend, ich spüre ihren Unmut über seine Aussage, «ok, dann hatten wir in den letzten 2 Jahren einmal Sex.» Die Ladung die sie in ihrem Satz mitbringt ist spürbar und irgendwie auch verständlich.

Ich fasse noch einmal zusammen, mit einer Schlussfolgerung: «Also viel von dem was in einer Beziehung da sein darf ist nicht mehr vorhanden, vor allem sehe ich keine entspannten Momente des Genusses mehr in eurer Beziehung. Und ich frage mich gerade: bei so vielen guten Gründen müsste ein Trennung eigentlich schon geschehen sein? Es gibt ja nichts mehr, was Euch hält?»

Sie: «das ist aber nicht so einfach...» Er nickt dazu. «Und warum ist es nicht so einfach?»


Und es beginnt die Geschichte von was sie schon zusammen aufgebaut haben, dass da ein starker Trennungsschmerz droht, die Mühsal, sich ein neues Leben aufzubauen, wo sie sich doch schon so gut eingerichtet haben.

Ich grabe weiter in diesem Thema, warum es so schwierig ist sich zu trennen, und siehe da, nach einiger Zeit bringe ich beide dazu, sich einzugestehen, dass da eben noch Liebe ist. Ein kleines Stück zwar. Aber es ist Liebe.





Und ich sage: «damit hätten wir doch das wichtigste für eine Liebesbeziehung schon beisammen: die Liebe. Meint ihr nicht auch?»

Nicken von beiden.

Sie «und wie machen wir das?»

Er nickt dazu, wieder mehr interessiert.

«Indem ihr die alte Beziehung begräbt. Und ihr beiden jetzt eure neue Beziehungsform findet, erforscht und gestaltet. Ich begleite euch dabei.»

Erste sanfte körperliche Zeichen der Entspannung zeigen sich bei ihnen. Und beide schauen sich jetzt gleichzeitig an. Aha, Verbindung baut sich langsam wieder auf, denke ich.

So oft übersehen wir, dass die Liebe, die Sexualität und Beziehung dynamisch sind. Sie entwickeln sich, sie verändern sich.

Und jetzt kommt der springende Punkt.

Ich sage: «Ihr habt mit eurer neuen Beziehungsform schon begonnen, wollt ihr da weiter machen?»

Er (er erwacht immer mehr…): «Wo? Wie haben wir schon begonnen? Ich verstehe das nicht.»

Sie schaut mich auch fragend an.

Ich: «Ihr sitzt beide da. Obwohl ihr mir grad vorher in eindringlichen Worten erzählt habt, dass eure Beziehung nicht mehr funktioniert. Keiner von Euch ist weggelaufen. Diese Tatsache sagt mir, dass ihr euch dem gestellt habt, was tatsächlich in eurer Beziehung ist. Ihr habt Euch der Wahrheit gestellt. Und das erfordert Ehrlichkeit. Ehrlich miteinander zu sein, auch wenn es nicht das ist, was man hören will. Und Ehrlichkeit in allen Dingen ist immer noch der stärkste Boden für jede Art von Beziehung. Und mit dem Elixier der Liebe dazu, werdet ihr zwar nicht nur, dafür immer wieder tiefe Verbundenheit erleben.»

Sie nicken. Und beide schweigen in sich gekehrt. Weil sie jetzt fühlen, und nicht denken.

Ich freue mich voll.

Jetzt beginnt die wunderbare Arbeit mit einem Paar, in dem sich jeder gerade in der Beziehung wiederentdeckt hat, in dem sich beide wieder fühlen und spüren. Die Beziehung, der Partner und das eigene Sein sind nicht mehr so vermischt, dass man sich selbst nicht mehr spüren kann. Es gibt wieder ein Ich, ein Du und eine Beziehung. Klarheit. Und darin dieses magische Elixier der Liebe. Pure Schönheit.

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